Menschen, denen der tägliche Stress im Hamsterrad zu viel wird, nehmen sich gern eine Auszeit. Das überrascht nicht, wobei ich hier nicht von denen rede, die sich im Winter schon mal zwei Monate nach Teneriffa verfrachten. Es gibt auch Leute, die für ihre selbstgewählte Einsamkeit im Lande bleiben, aber dennoch konsequent von der Bildfläche verschwinden. Eine schlaue Zeitung berichtete jetzt von so einem Mann, der im Thüringer Wald buchstäblich untergetaucht war. Komplett bargeldlos (und auch ohne Kreditkarte) hatte er sich vier Monate lang durchgeschlagen. Vermisst gemeldet hatte ihn sein Arbeitgeber, der ihn als eigentlich zuverlässigen Mitarbeiter schätzte und folglich vermisste. Nun tauchte der Waldmann kurz vorm Jahreswechsel auf einmal wieder in der Zivilisation auf – es war ihm draußen wohl zu kalt geworden. 

Sehr schön und eindringlich ist solch eine Auszeit nebenbei in Süskinds „Parfum“ geschildert. Der geruchsfreie Mädchenmörder Jean-Baptiste Grenouille verbringt immerhin sieben Jahre in einer Erdhöhle auf einem real existierenden Berg in der Auvergne, dem Plomb du Cantal, um den Menschengeruch zu fliehen. Erst danach macht er sich an die finale Destille.

Meine schlaue Zeitung weiß zu vermelden, dass schätzungsweise 80 Männer und Frauen allein in Deutschland sich dauerhaft von einer festen Behausung und allem anderen, was Zivilisation ausmacht, verabschiedet haben. Und dann kommts: „Vor wenigen Wochen gab es sogar ein europäisches Eremitentreffen in der Nähe von Freiburg.“ Da wär ich gern Mäuschen gewesen! Wie darf man sich einen intensiven Austausch über die Vorteile der Einsamkeit vorstellen? Reden die überhaupt miteinander? Nun gut, es sind ja keine Trappisten. Oder haben sich die Eremiten auf Betriebsausflug nur in die Anwesenheitsliste eingetragen und sind sich dann konsequent aus dem Weg gegangen? Gab es  Workshops mit Hinweisschildern wie „Eremit Patrick trifft sich im Raum Titisee“? Denn ein grundsätzliches Problem werden sie alle gehabt haben: In dem Moment, in dem ein Eremit zu einem Treffen geht, ist er keiner mehr.