Es gibt da eine LP/CD aus dem Jahr 1988, bei der die Plattenfirma (spv) sich bei den Verkaufserwartungen wohl etwas verkalkuliert hatte: „Norwegian Wood“ von einem gewissen R.A.M. Pietsch hatte schnell den Ruf weg, in jeder Flohmarkt-Grabbelkiste vorrätig zu sein. Was ihrem Ruf nicht förderlich war. Zu Unrecht: Es handelt sich um Beatles-Titel, die sich um eine Geschichte ranken (aufgeschrieben von Michael Kunze), die aufwändig arrangiert wurden und von Mary Hopkin, Ian Cussick und Dan McCafferty sehr schön eingesungen wurden. Was mich jedoch elektrisierte: Das Cover hat Klaus Voormann (Beatles-Freund, „Revolver“-Gestalter) gezeichnet, und er hat die Platte auch produziert – zusammen mit eben jenem R.A.M. Pietsch. Aber wer verdammt nochmal ist das?

Lange wurde gerätselt, und manch einer war mit der Erklärung, es sei irgendein Pseudonym, zufrieden. So heißt es z.B. im „Analog Forum“: „Niemand weiß bis heute genau, wer sich hinter dem Pseudonym verbirgt.“ Das klingt spannend, ist es aber nicht. Nach und nach kam ich dem Phantom auf die Spur. Besonders, als ich zufällig im Booklet der ELO-CD „Time“ stöberte. Für die Streicher steht da als „arranger“ und „conductor“ vermerkt: Rainer Pietsch. Aha! Weiter brachte mich dann ein sehr ausführlicher Eintrag bei „Discogs“ (danke Wolfgang!). Dieser Rainer Pietsch, geboren 1944, war in den 70ern und 80ern recht fleißig, hauptsächlich in Münchner Studios. Er arrangierte und produzierte (manchmal auch als Ray Peach) sehr viel im Bereich des deutschen Schlagers, z.B. für Michael Holm. Er schrieb aber auch das Orchester-Arrangement für das Titelstück auf Freddie Mercurys erster Soloscheibe „Mr. Bad Guy“ und arbeitete an mehreren Platten der damals recht angesagten Amanda Lear mit, schrieb sogar etliche Titel mit ihr zusammen.

Eine gewisse internationale Berühmtheit erlangte er, als er 1975 beim deutschen Beitrag für den ESC (damals noch Grand Prix genannt) das Orchester dirigierte: Joy Flemings „Ein Lied kann eine Brücke sein“. Das stand ihm als Komponist des Titels zu, den Text schrieb Michael Holm. Der Song war gar nicht so schlecht, kam aber nur auf Platz 17 (von 19). Beim Auftakt zählte Pietsch nicht nur laut an, sondern stampfte auch noch hörbar auf den Bühnenboden – das blieb vielen in Erinnerung. Das ganze ist sogar auf Youtube verewigt, in den ersten zehn  Sekunden des Clips hört und sieht man Rainer Pietsch zählen und stampfen. Und er sieht genau so aus wie der von Klaus Voormann gezeichnete Mann auf dem Cover von „Norwegian Wood“. So einfach ist das alles.

Warum er sich allerdings „R.A.M.“ nannte, kann man ihn leider nicht mehr fragen, er erlag 1997 einem Herzinfarkt.