Es begab sich zu der Zeit, als die Berliner Philharmoniker einen neuen 1. Geiger suchten. Weltweit war die Stelle ausgeschrieben, doch die Findungskommission hatte es schwer: Einen ganzen Tag lang hatte sie sich schon Geiger angehört, alle waren sehr gut, aber der eine besondere Ausnahmegeiger, den man sich wünschte, der war nicht dabei. Am Abend standen noch drei Kandidaten aus, und der drittletzte wurde herein gebeten.

Ein sehr gepflegter junger Mann tritt vor das Gremium, nickt kurz, setzt ein wertvolles antikes Instrument an – und spielt unfassbar gut! Die Leute aus der Kommission sind vollkommen aus dem Häuschen – das ist der gesuchte Ausnahmegeiger! – und der Mann bekommt sofort den Zuschlag. Der Fairness halber lässt man den vorletzten Kandidaten auch noch vorspielen. Ein  Mann in den besten Jahren tritt ein, wirft seinen Kaschmirmantel auf einen Stuhl, holt eine Stradivari aus seinem Geigenkoffer – und spielt, obwohl das kaum sein kann, noch besser als sein Vorgänger. Die Findungskommission steht Kopf ob dieser nie gehörten Klasse, und schnell ist man sich einig: Auch dieser Geiger wird unter Vertrag genommen, den darf einfach kein anderes Orchester der Welt haben. Nun bittet man den letzten Kandidaten herein.

Ein Mann mit fettigen Haaren, fleckiger Jeans und löchrigem T-Shirt betritt den Vorspielsaal. Aus einer Plastiktüte zieht er eine völlig abgeschrebbelte Geige – und spielt eine unglaubliche Scheiße.

Den haben sie auch nicht genommen.