Nach der Geschichte aus den 80ern folgt nun eine aus den 90ern. Da arbeitete ich in Düsseldorf und genoss die Nähe zu den Feinkostabteilungen der nahegelegenen Kaufhäuser. Eines davon hatte eine Aktion mit frischen kanadischen Hummern angekündigt, und ich hatte sofort vier davon bestellt.

Der Abend kam, und ich stand nach Feierabend in der Fischabteilung, leicht euphorisiert in der Erwartung eines feinen Hummermahls. Der Chef der Fischtheke, längst ein Intimus, stellte mir eine Holzkiste auf den Tresen, in der, notdürftig abgedeckt, die Crab Four fröhlich herum krabbelten. Erstaunlich lebendig nach dem langen Flug, Time Lag scheinen Hummer nicht zu kennen. Während wir noch fachsimpelten („nicht zu lange kochen“, „kopfüber!“), gesellte sich eine Dame fortgeschrittenen Alters zu uns. Eine Düsseldorferin, wie sie typischer nicht sein könnte: Nerzmantel, Perlen in den Ohrläppchen und jede Menge Gold an den Fingern.

Sie hatte ein paar Sätze lang zugehört, und als sie dann die Raschelei in der Hummerkiste wahrnahm, schaltete sie sich ungefragt in unser Fachgespräch ein und stellte empört fest: „Sind die etwa noch lebendig?“ Aufgrund des einvernehmlichen Nickens von beiden Seiten des Tresens giftete sie mich dann an: „Dann wünsche ich Ihnen guten Appetit. Guten Appetit!“ Mit diesem Unterton und zwei „t“ am Schluss. Ich jedoch lief zu großer Form auf, schaute sie von möglichst weit oben und möglichst mitleidig an und meinte nur: „Und Ihre Nerze – die haben sich sicherlich alle totgelacht?“