Aus meinem Küchenfenster schaue ich auf einen Universitäts-Campus. Genau genommen ist es eine Fachhochschule, aber in ihrem englischen Untertitel nennt sie sich University, und außerdem habe ich gelernt, dass Fachhochschulen in vielen Fächern deutlich zielführender und praxisorientierter ausbilden als Unis. Aber darum soll es heute gar nicht gehen.

Heute sehe ich nämlich wieder einmal Gina über den Campus laufen. Gina hat wunderbare braune Augen, und mit denen geht sie betteln. Gina ist die Hündin des Hausmeisters, und entweder spürt sie den Mitgliedern der riesigen Kaninchenfamilie nach, die mit ihr den Campus bewohnt, oder sie belagert Studenten oder Arbeiter von Fremdfirmen, die ihren braunen Blick noch nicht kennen. Da fällt dann schon mal ein halbes Brötchen ab, und da sie mit ihren Augen recht erfolgreich guckt, ist es eigentlich ein Wunder, dass sie nicht fett wird. Ich verwöhne Gina hundgerecht mit Kausticks und außerdem reichlich Streicheleinheiten, weswegen wir eine ausgesprochen gute Freundschaft pflegen. Bis es dunkel wird.

Um 21 Uhr, wenn an der Uni endgültig Schicht ist, werden nicht nur die Alarmanlagen, sondern auch Gina scharf geschaltet. Da helfen keine guten Worte und keine Leckerlis, man wird verbellt, wahrscheinlich bis die Polizei kommt. Um es nicht so weit kommen zu lassen, macht man sich natürlich zügig vom Acker (resp. Campus), und das Vieh schafft es jedes Mal, dass man sich irgendwie schuldig vorkommt … obwohl man doch nur nach Hause wollte.